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www.akamusfreunde.de

letzte Aktualisierung am 30 Oktober, 2011

Freunde und Förderer der Akademie für Alte Musik Berlin e.V.


Laudatio zur Verleihung des Telemannpreises 2006 an die
Akademie fĂĽr Alte Musik Berlin von Dr. Ingeborg Allihn
 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Meine Damen und Herren, liebe Telemann-Freunde
Ich habe die ehrenvolle und überaus angenehme Aufgabe, die Arbeit der „Akademie für Alte Musik Berlin“, die am heutigen Abend mit dem Telemann-Preis der Landeshauptstadt Magdeburg ausgezeichnet wird, feierlich zu würdigen. Gewürdigt werden 25 Jahre unermüdlichen Einsatzes für das Werk Georg Philipp Telemanns – eine Arbeit, die nicht unwesentlich mit zur Wiederentdeckung und Rehabilitation des als „Vielschreiber“ geschmähten Komponisten beigetragen hat und die nun – endlich – ihren Lohn erhält.
Mit Georg Philipp Telemann hatte zu Beginn der 1980er Jahre für die „Akademie“-Musiker der „ersten Stunde“ „alles angefangen. Er hat uns“, erinnerte sich vor kurzem Stephan Mai, Geiger und Mitbegründer der „Akademie für Alte Musik Berlin“, „von Anfang an verfolgt – und wir sind ihm gefolgt“. Es begann mit dem ersten Übungsstück, der köstlichen „Burleque de Quixote“. An dieser Komposition wurde intensiv gearbeitet und unendlich viel gelernt, wobei – ich zitiere noch einmal Stephan Mai – „der historische, der aufführungspraktische Gedanke damals sogar sekundär war. Im Vordergrund stand die Lust, miteinander zu musizieren und Bilder zu entwerfen. Und das ist bis zum heutigen Tag so geblieben!“
Die Proben fanden im Wohnzimmer der Geigerin Dörte Wetzel statt und der Geiger Bernhard Forck, damals noch Student an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin (DDR), weiß noch genau, was er beim Hören dieser ihm unbekannten Musik empfand. „Mir ging damals einfach ein Licht auf, als ich diese Suite hörte. Alles wurde auf einmal lebendig und rhythmisch verständlich, hatte auf einmal Sprache und Witz. Natürlich war das im ersten Moment ungewohnt, diese Instrumente zu hören, die viel weniger Klang von sich geben und viel geräuschvoller sind. Ich“, so Forck, „erinnere mich noch genau, wie ich die alte Geige und diesen Bogen in die Hand genommen habe und erst einmal dachte, wie soll man denn darauf ernsthaft im Konzert spielen können? Aber das hat mich dann nicht mehr losgelassen und ich habe sehr schnell - gleichzeitig zum ‚ordentlichen’ Studium an der Musikhochschule - angefangen, in der ‚Akademie’ mit zu spielen.“
Bilder zu entwerfen, an denen sich die Fantasie entzünden kann, die Spielfreude auslösen, Raum lassen für eigene Gedanken und für individuelle Gestaltungsmöglichkeiten - all’ dies bot Telemanns programmatische „Don Quichotte-Suite“. So nimmt es nicht Wunder, das diese Komposition 1985 für die erste Schallplattenaufnahme der „Akademie für Alte Musik Berlin“ eingespielt wurde, übrigens eine Koproduktion zwischen dem ostdeutschen VEB Deutsche Schallplatten Berlin und dem westdeutschen Label Capriccio der Delta Music GmbH.
Doch zurück zu den nicht einfachen Anfangsjahre des Ensembles, als jeder der Stammbesetzung von Streichern, Holzbläsern und Cembalo, in der Regel zwölf Musikerinnen und Musiker, in einem der ostberliner Orchester „hauptamtlich“ verpflichtet war und Alte Musik „lediglich“ als Hobby betreiben konnte. Als Darmsaiten, alte Bögen u. ä. nur auf Schleichwegen oder Dank der Hilfsbereitschaft des damals westberliner Holzinstrumentenbauers Stephan Beck zu bekommen waren. Bereits in dieser Zeit hatten sich die Mitglieder der Akademie das Telemannsche Lebens-Motto zu Eigen gemacht: „Lust und Fleiß kann Wege finden/ ob sie noch so tief verschneit./ Und ein kühnes Unterwinden/ trotzet der Unmöglichkeit. Zeigen sich gleich große Berge?/ Frisch gewagt! Du kommst hinan./ Sieh die Schwürigkeit für Zwerge/ dich für einen Riesen an.“
Musizierfreude und Unbeirrbarkeit, aber auch erstaunliche Zufälle führten am 6. April 1982 zum ersten öffentlichen Konzert in der Köpenicker Schlosskapelle. Zufälle wie das existenzielle Angebot, auf historischen Instrumenten aus der Privatsammlung des Potsdamer Geigers Peter Liersch – Ehre seinem Andenken - zu musizieren. Oder die Tatsache, dass Martin-Christian Schmidt, der damalige Instrumenten-Restaurator des Kunstgewerbemuseums im Schloss Köpenick – auch an ihn soll hier dankbar erinnert werden -, eigens für das Ensemble ein Cembalo nach einem originalen Ruckers-Cembalo von 1594 angefertigte. Übrigens wurde auf diesem Originalinstrument mit Sicherheit am kurbrandenburgischen Hof – möglicherweise von der Kurfürstin und nachmaligen ersten preußischen Königin Sophie Charlotte höchstpersönlich - musiziert.
Bei diesem ersten öffentlichen Konzert am 6. April 1982, auf dessen Programm selbstverständlich eine Suite von Telemann stand, trat das Ensemble unter dem Namen „Akademie für Alte Musik“ auf, damals noch „der Humboldt-Universität zu Berlin“. Ganz bewusst war der Name „Akademie“ gewählt worden, zum einen zur Erinnerung an die Berliner Musikgeschichte: Steht doch an der Wiege des öffentlichen Musiklebens in Berlin 1740 die „Musikalische Akademie“ des königlichen Kammermusikus Johann Gottlieb Janitzsch. Und zum anderen und prägenden in Anlehnung an den Akademiegedanken der Renaissance: Jedem Mitglied wird eine eigene Individualität zugestanden. Jeder kann seine Überlegungen in die Proben einbringen. Das ist für die Dirigenten manchmal anstrengend. Doch diese Methode bringt es mit sich, dass sich jeder mit dem, was er tut, identifizieren kann. Aber auch, dass jeder mitverantwortlich ist!
An der Humboldt-Universität konnte dann ab 1982 der Zyklus „Alte Musik – heute“ mit 13 Konzerten ins Leben gerufen werden. Musiziert wurde ohne Honorar für einen begeisterten und seither festen und wachsenden Hörerkreis. Die Konzertreihe findet seit 1984 im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, dem heutigen Konzerthaus Berlin statt, nun selbstverständlich gegen Honorar. Dabei konnte sich das Publikum immer wieder überzeugen: Die „Handschrift“ des Ensembles ist unverwechselbar. Sie fasziniert durch ein ungemein vitales Spiel, durch Elastizität, bewundernswerte Präzision, einen redenden Gestus und eine ausgewogene Verzierungstechnik. Ein Interpretationsstil, der auf sehr besondere Weise Ausdrucksintensität mit Verinnerlichung verbindet. Qualitäten, die das Ensemble, das in der Regel ohne Dirigenten spielt, auch unter der Leitung von René Jacobs bewiesen hat. Zum Beispiel 1996 bei der Aufführung von Telemanns „Musikalischem Drama“ „Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe“ an der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Eine Einstudierung, die als Schallplatten-Produktion für das Label harmonia mundi France, mit dem die „Akademie“ 1994 einen Exklusivvertrag abgeschlossen hatte, dem Ensemble den Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik einbrachte.
Gut zehn Jahre davor hatten die Musiker den Altus und jetzigen Dirigenten Jacobs kennen gelernt. Als sie nämlich 1986 nach Innsbruck zu den Festwochen der Alten Musik fahren durften. Damals eine Sensation! Und ein unschätzbarer Gewinn, denn bisher kannten die Musiker die führenden Köpfe der Alte-Musik-Szene nur durch den Rundfunk und die Schallplatte. Allerdings - und auch das gehört zur Geschichte der „Akademie“ – einer der Musiker musste zu Hause bleiben: der damals bereits freischaffende Cembalist Raphael Alpermann. Er hatte den Wehrdienst mit der Waffe in der Nationalen Volksarmee der DDR verweigert und war Bausoldat geworden, wurde daher politisch als Unsicherheitsfaktor eingestuft. Doch die „Akademie“ machte aus der Not eine Tugend: René Jacobs wurde zu Konzerten nach Ost-Berlin eingeladen und eine gemeinsame Produktion mit Kantaten und Oden von Telemann besiegelte 1989 die seither andauernde Zusammenarbeit.
Telemann war und bleibt der „Schutzheilige“ des Ensembles, das selbstverständlich neben seinem Œuvre ein breit gefächertes Repertoire besitzt. Und doch kehren die Musiker zwischen Bach-Vater und –Söhnen, Reinhard Keiser, Johann Philipp Kirnberger oder Christoph Nichelmann, immer wieder zu Kompositionen des in dieser Stadt geborenen Meisters zurück. Vor allem in den virtuosen Suiten, in denen Telemanns experimenteller Geist souverän italienische, französische und deutsche Stilelemente zu einem „vermischten Geschmack“ verschmilzt, sieht das Ensemble eine produktive Herausforderung. „Hier“, betont Stephan Mai, „gibt es Raum für eigene Klangfarben und freie Artikulation. Die Musik ist stärker als das, was in den Noten steht. Besonders an seinen Suiten und ihren extremen Formen kann sich die Fantasie entzünden.“ Zwei preisgekrönte CDs mit Suiten und Ouverturen sowie die jüngste Produktion mit Blockflöten-Werken, die gemeinsam mit dem schweizer Blockflöten-Virtuosen Maurice Steger eingespielt wurden, belegen dieses Konzept überzeugend.
Übrigens ein Konzept, das von Anfang an Begeisterung hervorrief, wie einer Rezension von 1987 aus der Zeitschrift „Alte Musik aktuell“ über die erste Schallplattenproduktion der „Akademie“ zu entnehmen ist: Ich zitiere: „Da entwickelt sich im anderen Teil Deutschlands (in Ostberlin) ein Ensemble mit historischen Instrumenten, tritt auf das Konzert- und Schallplattenpodium, und wartet mit einer solchen Qualität auf. Das ist […] zweifellos eines der interessantesten Erlebnisse in der alten Musik in der letzten Zeit. Das Ensemble hat ungeheuere Fähigkeiten. Das Interessante: Es ist so unverwechselbar anders als die anderen…., ist schroffer, nicht so artifiziell… fällt auf durch unglaubliche Vitalität. Ich habe“, schreibt der Rezensent, „seit Jahren kein Ensemble gehört, das so vital musiziert. Ich möchte von neuer Vitalität sprechen.“
Doch so sehr sich damals die „Akademie“ über dieses Lob freute, ein Problem wurde immer gravierender: nämlich zwischen der Arbeit in den konventionellen Orchestern, mit der man das notwendige Geld verdiente, und dem Hobby Alte Musik ein erträgliches Gleichgewicht herzustellen. Daher wagten die Musiker nach und nach den Sprung ins berühmte kalte Wasser, in die Freiberuflichkeit. Bei den meisten Ensemblemitgliedern passierte das allerdings erst zu Beginn der 1990er Jahre, nach der „Wende“. Heute ist die weder von der Stadt oder dem Land Berlin noch vom Bund subventionierte „Akademie für Alte Musik Berlin“ eine – wie es im Juristendeutsch heißt – Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit beschränkter Haftung, d. h. alle teilen gleichermaßen Gewinn und Risiko. Es ist dringend zu wünschen, dass sich in dieser Hinsicht bald etwas ändert und dem Ensemble – adäquat zur Neuen Musik und ihren Interpreten – eine finanzielle Förderung zuteil wird! Denn da mit „Lust und Fleiß“ im Telemannischen Sinn gearbeitet und musiziert wird und Sachverstand und Enthusiasmus sich dazu gesellen, ist die Reputation der „Akademie“ im In- und Ausland gleich bleibend groß. Immer wieder sind es die Fabulierlust, das erzählerische Talent und die Klangvielfalt, die an den Interpretationen gelobt werden, sind es der Sachverstand und das leidenschaftliche Engagement
Natürlich ist die Stadt Magdeburg, Telemanns Geburtsstadt, schon sehr früh auf die „Akademie“ aufmerksam geworden, auf ihre erfolgreichen Bemühungen um die Wiederbelebung des fast vergessenen Meisters und um seine Rehabilitation. 1984 wurden die Musiker zum ersten Mal zu einer Telemann-Sonntagsmusik eingeladen. 1993 und 1996 konnte man sie erneut bei Sonntagsmusiken hören. Und 1987 war die „Akademie“ dann auch an der Programmgestaltung der 9. Telemann-Festtage mitbeteiligt; es folgten Auftritte zu den 10. Festtagen 1990, zu den 13. Festtagen 1996 und zu den 16. Magdeburger Telemann-Festtagen im Jahr 2002. Doch auch außerhalb dieser an Magdeburg gebundenen Veranstaltungen hat sich das Ensemble immer wieder nachdrücklich und erfolgreich für „seinen“ Telemann eingesetzt. Es ist daher der „Akademie“ mit zu verdanken, dass aus dem geschmähten „Vielschreiber“ Telemann der „Wegbereiter der Klassik“, ein gleichberechtigter, wenngleich auf einem anderen Stern wohnender Partner von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel geworden ist. Und so ist es nur folgerichtig, dass die „Akademie für Alte Musik Berlin“ heute zum Telemann-Preisträger der Landeshauptstadt Magdeburg gekürt wird.
Ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen!